Bei meiner Scheidung trage ich nur Weiß – wieso das nicht geschmacklos, sondern empowernd ist

Weiß ist die Farbe der Braut: Sie gehört vor den Traualtar, nicht vor das Familiengericht. Wieso ich mich für meine Scheidung trotzdem (oder gerade deshalb) für ein komplett weißes Outfit entschieden habe – ein Plädoyer.

Bei meiner Scheidung trage ich ein weißes Outfit
Zu meinem Scheidungstermin trage ich ein All-White-Everything Outfit. Wieso ich meine weiße Kleidung nicht für unpassend halte, sondern sie mir Kraft gibt, erzähle ich hier.© GRAZIA

Verliebt, verlobt, geschieden: Geht eine Ehe vorbei, führt der Weg in Richtung Familiengericht. Zumindest nach einem langen, manchmal jahrelangen, Scheidungsprozess. Vor Gericht wird die Ehe dann endgültig geschieden. Neben Fragen nach Dauer, Kosten und Ablauf, spukte mir vor meiner eigenen Scheidung ein ganz bestimmtes Thema im Kopf herum: Was ziehe ich bloß an? Ich wusste schließlich, dass mir das richtige Outfit ein so selbstbewusstes und sicheres Gefühl geben würde, wie es der beste Scheidungsanwalt nicht könnte. 

Trage ich eher ein festliches Kleid, einen schicken Blazer oder reichen auch T-Shirt und Jeans? Und besonders: Zu welcher Farbe greife ich, wenn ich meine Ehe scheiden lasse? Die Farbe Weiß wird jedenfalls mit ihrem Anfang assoziiert – nicht mit ihrem Ende. Trotzdem, oder vielleicht genau aus diesem Grund, habe ich mich letztendlich für einen All-White-Everything-Look entschieden – und startete damit für mich selbst eine kleine Revolution, in der ich ungeachtet gesellschaftlicher Standards das anziehe, was ich möchte.

Darum trage ich zu meinem Scheidungstermin einen All-White-Look

Weißer Blazer, weiße Anzughose, weißes Top, weiße Sneaker: Fertig ist mein unkonventionelles Scheidungsoutfit. Es war die einzig richtige Wahl für mich, um vor die Scheidungsrichterin zu treten: Die perfekte Mischung aus elegant und leger, mit persönlicher Bedeutung und Statement-Charakter.

Ich gebe zu: Der Wunsch nach ein bisschen Rebellion spielte auch eine Rolle. Traditionell war noch nie so meins. Zu meiner Hochzeit trug ich kein Kleid, sondern einen weißen Maxirock und ein weißes Schleifen-Top. Apropos weißes Schleifen-Top: Mit meiner Outfitwahl betrieb ich auch noch ganz nebenbei umweltfreundliches Recycling. Denn das gleiche Schleifen-Top, in dem ich mich vor Jahren vermählen ließ, kam zu meinem Scheidungstermin erneut zum Einsatz. Nachhaltig, oder? 

Weiße Kleider können mit kaum einem anderen Anlass in Verbindung gebracht werden, als mit dem Beginn einer Ehe. Klar, eine Scheidung ist ein Ende, aber für mich ist es auch ein Anfang. Klingt pathetisch, ist aber meine Wahrheit: Neben all dem Schmerz, den ein Ehe-Aus mit sich bringt, löste der letzte Scheidungstermin Erleichterung in mir aus. Der Abschluss, zu dem ein langer Prozess im Moment des Rechtsspruches endlich kam, sorgte in meinem Kopf für Ruhe und Klarheit. Eben genau das, was die Farbe Weiß symbolisiert. Sie ist für mich die Farbe des Neubeginns und des Friedens. Es bot sich an, dies mit einem weißen Outfit zu unterstreichen – und siehe da: Mein Look vermittelte für mich genau die Emotionen, die ich am Tag der Scheidung gefühlt habe. Fashion done right!

In Weiß zur Scheidung: Geschmackloser Affront oder emanzipierter Powermove?

Ein weißes Kleid tragen Frauen also zum Standesamt oder zur kirchlichen Trauung – jedenfalls tragen sie es ausschließlich zu ihrer Hochzeit. Bei einer Scheidung hingegen wird von Frauen ein anderes Bild erwartet. Gedeckte, zurückhaltende Töne, am besten unauffällig. Sich um Kleidung zu scheren, wird gerne als nebensächlich, unseriös oder lächerlich abgestempelt. Klassische Frauensache eben. Dabei wohnt der richtigen Kleidung bei wichtigen Anlässen die Macht inne, Selbstvertrauen zu schenken und Ausstrahlung maßgeblich zu verändern. Fazit: Frauen dürfen sich Gedanken darüber machen, was sie anziehen und sie dürfen ihren Outfits gerne eine große Relevanz geben. 

Es mag nun als geschmackloser Affront meinem Exmann gegenüber aufgefasst werden, in Weiß zur Scheidung zu erscheinen. Schließlich handelt es sich in der Regel nicht um ein fröhliches Event, das gefeiert gehört, sondern um einen schweren Gang, der eben erledigt werden muss. Weiß scheint da eher die falsche Farbe zu sein. Aber wieso sollte ich kein Weiß zur Scheidung tragen dürfen? Bin ich nach der Trennung von meinem Mann nicht mehr rein, nicht mehr jungfräulich, nicht mehr unschuldig? Muss ich das Ehe-Ende optisch betrauern, etwa wie auf einer Beerdigung? Ich finde nicht. 

Stattdessen war es für mich der ultimative Powermove, mir mein altes Hochzeits-Oberteil zurückzuerobern und ihm eine neue Bedeutung zu schenken. Es gab mir Kraft, die Farbe des Anfangs zu tragen, während ein Ende besiegelt wird. Emanzipation heißt für mich, entscheiden zu können. Ich habe mich dazu entschieden, meine Scheidung farblich als Befreiungsschlag zu inszenieren. Das ist mein ganz eigener, kleiner Beitrag zur Revolution.